Alles wird anders!
Impuls zur weihnachtlichen Besinnung
Sie haben es vor Augen: Ein schwarzblauer Himmel, Sterne als winzige Lichtpunkte und dann der eine: groß und strahlend, mit Schweif. Ein ungewöhnlicher Stern am Himmel kündigt etwas Neues an, so glaubte man früher. Einen neuen König, einen Machtwechsel. „Alles wird anders!“ dachten die Weisen aus dem Morgenland. Und schon dieser Gedanke veränderte ihr Leben. Denn sie setzen sich in Bewegung und machten sich auf den Weg. Sie suchten das Neue. Ich stelle mir vor, dass sie neugierig loszogen, voller Hoffnung und Sehnsucht.
„Alles wird anders“ – höre ich manche klagen. Das klingt dann ganz und gar nicht hoffnungsvoll. Die Veränderungen, die sich fürs neue Jahr abzeichnen, scheinen vielen eher bedrohlich. In den USA verspricht Trump als neuer Präsident den großen Wechsel. Auch Deutschland wählt neu und das in einer politischen Stimmung, in der es immer schwieriger scheint, starke Mehrheiten in der Mitte zu finden oder konstruktive und nachhaltige Kompromisse auszuhandeln. Rechtsextreme Bewegungen bringen unsere demokratischen Strukturen in Gefahr und der Klimawandel unsere Lebensgrundlage. Das kann schon Angst machen.
Wechsel und Veränderungen gab es natürlich schon immer, manche herbeigesehnt und als Fortschritt begrüßt, andere eher befürchtet und beklagt. Aber wir Menschen sind Gewohnheitstiere, die meisten tun sich erstmal schwer mit Veränderungen, selbst wenn sie nötig oder sogar gewünscht sind.
Wenn sich die Welt im Großen und unser Alltag im Kleinen immer schneller zu ändern scheint, sehnen wir uns nach Vertrautem. Wir fragen nach dem, was bleibt, was trägt und hält. Vielleicht liegt auch da das Geheimnis von Weihnachten: Das Fest lebt von immer wiederkehrenden Bräuchen und Ritualen, von denselben familiären Runden, die sich zusammenfinden, von immer gleichbleibenden Gesängen und Gerüchen. Plätzchen werden nach Großmutters Rezept gebacken und die Weihnachtmusik, die wir hören wollen, ist Jahrhunderte alt.
„Es begab sich aber zu der Zeit, da ein Gebot von dem Kaiser Augustes ausging…“ Viele lieben diese vertrauten Sätze, die uns erzählen vom Kind in der Krippe, von Hirten und Engeln und Königen. Da muss auch bitte das alte Lutherdeutsch bleiben, obwohl kaum ein Mensch mehr weiß, was genau die „Hürden“ sind, wo die Hirten auf dem Feld stehen. Hauptsache „Alle Jahre wieder“ – das tut uns gut.
Das besonders Raffinierte an dieser altvertrauten, immer gleichbleibenden Geschichte ist, dass sie eigentlich beschreibt, wie alles anders wird: An Weihnachten kommt das ganz Andere in die Welt oder besser der ganz Andere: Der transzendente Gott wird wie wir. Ein Gott zum Anfassen, zu Be-greifen, einer der unsere Menschlichkeit teilt. In der Geschichte zwischen Gott und den Menschen beginnt etwas Neues. Die Weisen aus dem Morgenland haben die Veränderung am Himmel abgelesen. Aber was genau passiert und wie, wussten sie nicht. Sie haben sich also gedacht. „Es kommt vermutlich ein Machtwechsel, ein neuer König, den wir im Palast finden“. Da haben sie falsch gedacht. Das andere kommt anders.
Gott weiß, dass wir Menschen Gewohnheitstiere sind und lässt das Neue nicht dramatisch und spektakulär vom Himmel fallen. Es fängt viel kleiner an: Zunächst geht ein einzelner Mensch damit schwanger. Das dauert. Da wächst etwas Winziges heran. Da ist etwas erst auf dem Weg. Mit Veränderungen kommen wir nur klar, wenn wir damit schwanger gehen können, wenn sie in uns wachsen und reifen. Nur dann können wir uns wirklich verändern. Gott will nicht die Machtverhältnisse im von Römern besetzten Palästina des 1. Jahrhunderts per göttlichem Eingreifen verändern, er will uns Menschen verändern.
Einen Machtwechsel gibt es deswegen damals nicht. Regiert hat weiterhin König Herodes und der hat den potentiellen neuen Konkurrenten gleich mal in die Flucht geschlagen. Die Grausamkeit der Welt hat sich nicht verändert, das macht die Weihnachtsgeschichte sehr deutlich. Die Machtverhältnisse dieser Welt ändern sich nur, wenn wir Menschen uns ändern. Und das beginnt in jedem Einzelnen von uns. Wie schwer es ist, sich selbst zu ändern, das wissen wir auch: Das fängt klein an, das braucht seine Zeit, das macht sich nach außen erst langsam bemerkbar.
Wie klein und unscheinbar das ist, davon erzählt die Geburt Gottes als Kind. Und doch wird mit einer Geburt alles anders. Wer Kinder hat, weiß, dass uns kaum etwas so sehr verändern kann, wie die Geburt eines Kindes. Wenn wir ein Kind versorgen müssen, setzt das ungeahnte Kräfte in uns frei. Wenn uns ein Kind anlächelt, dann schmelzen wir dahin, dann werden unsere sanften und zärtlichen Seiten hervorgelockt. Das ist es, was die Welt braucht. Das ist es, was die Welt verändern könnte.
„Alles wird anders!“ ist dann wieder eine hoffnungsvolle Verheißung. Ein Kind bedeutet Zukunft. Dieses göttliche Kind ist unsere Zukunft. Dann wenn wir ihm in uns Raum geben, wenn wir mit ihm schwanger gehen, wenn wir uns verändern lassen. Wir können nicht die ganze Welt verändern. Aber wenn wir anders auf diese Welt und auf unsere Möglichkeiten darin schauen, dann wird für uns „alles anders“.
In diesem Sinne wünsche ich uns allen gesegnete Weihnachtstage.