Kirche St. Johannis Harvestehude, Hamburg – Lebensworte

Lebensworte

Predigt zu den Konfirmationen
Pastorin

Andrea Busse

Gottesdienste am 13. und 14. April

Predigt zu Markus 4, 3-9+13-20

Predigttext:

Hört mir zu! Ein Bauer ging aufs Feld, um zu säen.Während er die Körner auswarf, fiel ein Teil davon auf den Weg. Da kamen die Vögel und pickten sie auf. Ein anderer Teil fiel auf felsigen Boden, wo es nicht viel Erde gab. Die Körner gingen schnell auf, weil sie nicht tief im Boden lagen.Aber als die Sonne hoch stand, wurden die Pflanzen verbrannt. Sie vertrockneten, weil sie keine tiefen Wurzeln hatten. Ein weiterer Teil fiel zwischen die Disteln. Die Disteln schossen hoch und erstickten die junge Saat. Deshalb brachten sie keinen Ertrag. Aber ein anderer Teil fiel auf guten Boden. Die Körner gingen auf, wuchsen heran und brachten Ertrag: Manche dreißigfach, andere sechzigfach, andere sogar hundertfach.« Und Jesus sagte:»Wer Ohren zum Hören hat, soll gut zuhören.«
Als Jesus allein mit ihnen war, fragten die Zwölf und seine anderen Begleiter ihn nach den Gleichnissen.
Und Jesus sagte zu seinen Jüngern: (…) Bauer sät das Wort Gottes aus. Ein Teil davon fällt auf den Weg. Er steht für die Menschen, die das Wort hören, wenn es gesät wird. Aber sofort kommt der Satan und nimmt das Wort wieder weg, das in sie hineingesät wurde. Ein anderer Teil fällt auf felsigen Boden. Er steht für die Menschen, die das Wort hörenund es sofort mit Freude annehmen. Aber es schlägt keine Wurzeln in ihnen, weil sie ihre Meinung schnell wieder ändern. Wenn ihnen das Wort Schwierigkeiten bringt, lassen sie sich sofort davon abbringen. Noch ein anderer Teil fällt zwischen die Disteln. Er steht für die Menschen, die das Wort zunächst hören. Aber dann kommen die Alltagssorgen oder die Gier nach irgendetwas anderem. Sie ersticken das Wort, und es bringt keinen Ertrag. Aber ein Teil wird auch auf guten Boden gesät. Er steht für die Menschen, die das Wort hören und aufnehmen. Bei ihnen bringt es viel Ertrag.

Predigt:

Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden,
liebe Familien, Gäste und Gemeinde,

vermutlich sind heute einige hier, die von auswärts kommen, die extra angereist sind, um diesen großen Tag mit euch zu feiern. Vielleicht sind manche das erste Mal hier in Hamburg oder zumin­dest das erste Mal in dieser Kirche. Wer sich nicht aus­kennt, muss seinen Weg suchen, um richtig anzukommen. Das ist heute ziemlich einfach, man gibt sein Ziel bei google Maps oder in das Navi des Autos ein, lässt den eigenen Standort suchen und schon hat man eine schöne blaue Linie, der man hinterherlaufen oder fahren kann.

Um solche blauen Linien – oder vielleicht könnten man auch sagen: rote Fäden – geht es in der Konfirmandenzeit. Es geht um Orientierung: Um den eigenen Standpunkt und mögliche Ziele, es geht darum seinen Weg zu finden.

Wer seinen Weg finden will, muss erstmal wissen, wo er/wo sie gerade steht. Einen Standpunkt zu beziehen, liebe Konfirman­dinnen und Konfirmanden, das ist ja nicht nur eine geographi­sche Herausforderung, sondern viel anstrengender und auch spannender ist es, den persönlichen Standpunkt zu finden: Was ist dir wichtig? Wer bedeutet dir etwas? Wofür setzt du dich ein? Wer hier für sich Antworten weiß bzw. sie ernsthaft sucht, bei dem entwickeln sich Standpunkte. Und die brauche ich, um mich zurecht zu finden – in der Familie, in der Schule, im Freundes­kreis. Wo ergreift ihr Partei? Wo widersprecht ihr aus Überzeugung? Menschen brauchen Standpunkte, damit sie selber wissen, wo sie hingehören und andere wissen, woran sie bei ihnen sind.

Eure Konfirmation hat auch etwas mit einer Standort­be­stimmung zu tun. So frage ich euch nachher nach eurem Standpunkt, nach dem „Wo stehst du?“: Wollt ihr als Christinnen und Christen leben und mit zur evangelischen Gemeinde gehören? Damit ist gemeint: Wollt Ihr im Vertrauen auf die Liebe Gottes Euren Weg als Christinnen und Christen gehen? Wollt Ihr Euch im Sinne der Nächstenliebe für andere einsetzen, dass Ihr ein Spiegel dieser Liebe werdet? Wollt Ihr Euren Beitrag zu Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Welt leisten? Da ist Euer Standpunkt gefragt. Und wenn Ihr diese Fragen mit Ja beantwortet, dann legt Ihr euch fest: Hier stehe ich, dafür stehe ich ein.

Wer auf eine Navigationshilfe zurückgreift, der will ja nicht nur wissen, wo er/wo sie sich gerade befindet, sondern die Frage ist: „Wo will ich hin?“. Es ist nicht besonders schwer, mit einem Navi unsere Johanniskirche zu finden oder den Brunsberg bei Sprötze oder das Jugenheim im Plön, wo wir gemeinsame Wochenenden verbracht haben. Aber wenn es um den eigenen Lebensweg geht, da ist die Frage: „Wo willst du hin?“ kniffliger, übrigens nicht nur für Konfirman­dinnen und Konfirmanden. Haben wir da eine Peilung oder leben wir eher planlos in den Tag hinein? Es gibt für euch ja un­heimlich viele Mög­lichkeiten, euch auszupro­bie­­ren. Vielleicht mal für ein Jahr ins Ausland gehen, in einer Gastfamilie oder im Internat leben? Sozial­praktikum wählen, Betriebspraktikum oder wem „Zeit schenken“­, wie manche von euren Schulen das vorgeben. Und später stehen euch natürlich noch viel mehr Wege offen: Nach dem Schulabschluss erstmal ein gap year, einfach nur chillen, work und travel in Australien, au pair in Frankreich oder Freiwilliges Soziales Jahr in Kapstadt? Oder gleich in die Aus­bildung oder ins Studium?

Dass so viele Lebensentwürfe möglich sind, stellt Euch natür­lich vor die große Herausforderung, Ziele zu benennen, wahr­scheinlich gleich mehrere, kurz-, mittel und langfristige Ziele. Da geht es der einen um einen interessanten und vielleicht ja auch lukrativen Berufsweg, einem anderen um eine verlässlichen Lebens­partnerin oder darum, etwas Sinnvolles zu bewirken. Das macht jede und jeder anders – und das ist auch gut so. Manchmal verändern sich Ziele – auch das ist völlig normal. Wichtig ist aber, dass ihr euch selbst Ziele setzt. Es wäre zu schade, das eigene Leben ziel- und planlos dahinplätschern zu lassen.

Jetzt ging es um den Standpunkt und das Ziel. Bleibt die Frage, wie ich zuverlässig von A nach B komme. Heute hilft das Handy: Wenn der Punkt von der blauen Linie abkommt, dann liege ich eben falsch. Dann nehme ich einen Umweg oder muss umkehren. Früher hat man zur Orientierung Landkarten, Stadt­pläne oder auch einen Kompass benutzt.

Seit September 2022 haben wir euch eine Art Kompass vorge­stellt, der uns immer wieder Richtung gibt – nämlich Gott. Und die dazugehörige Landkarte – die Bibel mit ihren Geschichten über diesen Gott. Mit ihren Erzählungen darüber, wie wir gut mit anderen Menschen auskommen, wie wir ihnen mit Respekt und Wertschätzung begegnen, gerade wenn wir sie vielleicht nicht auf den ersten Blick mögen. Auch wie wir mit Fehlern und Schuld umgehen können – von anderen und auch von uns selbst. Wie Gerechtigkeit aussehen könnte und was Barmherzig sein bedeutet.

Manches in der Bibel oder am Glauben ist auch nicht so leicht zu verstehen. Mit manchen biblischen Worten und Geschichten ging es euch vermutlich wie mit den Samenkörnern, von dem wir vorhin gehört haben. Sie fallen auf fruchtbaren Boden – oder auch nicht. Manchmal ja, manchmal nein. Manches von dem, womit wir uns beschäftigt haben, hat euch angesprochen, mit manchem könnt ihr nicht so viel anfangen. Und vieles ver­steht man auch nicht gleich. Das ging ja selbst den engsten Freunden von Jesus so. Man sollte glauben, die sind Experten, aber sie müssen auch nachfragen, was das Gleichnis mit dem Samen bedeutet. Sie brauchen eine Erklärung und sie kriegen sie auch. Ich hoffe, dass wir euch in den letzten 1 1/2 Jahren manche Erklärung haben liefern können, und ich bin überzeugt, dass ihr euch vor allem auch gegenseitig Dinge verständlicher machen konntet.

Wichtig ist das, was im Gleichnis ganz zu Anfang steht: Hört mir zu! – damit beginnt es. Wer gar nicht zuhört, der oder die hat auch keine Chance, sich angesprochen zu fühlen. Dass ihr in den Konfirmandenunterricht gekommen seid, zeigt, dass ihr bereit wart zuzuhören, dass ihr etwas hören wolltet vom Glau­ben, von den christlichen Werten, vom dem, was Orien­tierung schenken kann. Und es ist völlig normal, dass nicht alles auf offen Ohren trifft, genau davon erzählt ja das Gleichnis. Aber das, was ankommt, das reicht. Das bringt genug Frucht, das ist die Bilanz des Gleichnisses. Die Jünger von Jesus haben auch oft nichts verstanden. Aber was sie kapiert haben, war, dass ihnen die Nähe Jesu, die Nähe Gottes guttut. Jesus hat seine Leute einmal gefragt, wo sie hingehen wollen, was ihr Ziel ist. Und Petrus hat darauf geantwortet:

„Wohin sollen wir denn gehen? Du hast Worte, die zum Leben führen!“

Ich hoffe, dass ihr das aus eurer Konfirmandenzeit mitnehmt. Da ist sicher nicht alles auf fruchtbaren Boden gefallen, aber das, was euch erreicht hat, das hat euch hoffentlich genug gegeben, damit ihr euch im Leben orientieren könnt. Es gibt in der Bibel viele Worte, die zum Leben führen, die ein guter Kompass sind. Und ihr alle habt euch mit eurem Konfirmations­spruch solche Worte selbst ausgesucht – als Begleiter für euren Weg: um euren Standort zu bestimmen, um euer Ziel zu wählen, um gut von A nach B zu kommen.

Ich habe euch alle gebeten, zu begründen, warum ihr gerade diesen Vers als Konfirmationsspruch ausgewählt habt. Eine hat geschrieben: „Ich wollte einen Konfirmationsspruch haben, der mich in meinem Leben begleitet. (…) Er gibt mir Vorgaben, wie ich mich richtig verhalten kann, um den richtigen Weg in mei­nem Leben zu finden.“ Ein anderer ganz ähnlich: „Mir gefällt dieser Spruch, weil mir Gott den Weg weist und weil es mir Selbst­vertrauen gibt.“ Es geht viel um Vertrauen in euren „Le­bens­­worten“. Mehrere haben geschrieben, dass ihr Vers davon spricht, dass sie Gott vertrauen können, dass Gott hilft, dass er immer an eurer Seite ist, dass ihr nie fürchten müsst, allein zu sein. Dass man, egal was man tut, von Gott beschützt wird. Oder Zitat: „Wenn ich traurig bin schaue ich mir den Vers an, weil ich weiß, dass es dort jemanden gibt, der mich versteht, der mich genauso gut kennt, wie ich mich selbst kenne, jemand, der mich in Höhen und Tiefen meines Lebens begleitet.“ Genauso hoffe ich, dass euch euer Vers immer eine gute Navi­gations­hilfe sein wird.

Und dann bekommt ihr heute noch zwei weitere Navigations­hilfen mit:

Eine Kerze, die ihr selbst gestaltet habt, und die euch hoffent­lich dann leuchtet, wenn ihr mal im Dunkeln tappt, damit ihr den Weg wieder klarer vor euch seht.

Und eine Kreuzkette. Das Kreuz ist das Symbol unseres Glaubens, insofern verweist es euch auf euren Standpunkt, darauf, dass ihr euch heute zum Christsein bekennt. Aber das Kreuz gibt mit seinen zwei Balken auch zwei Richtungen vor: Die Querbalken verweisen euch wie ausge­streckte Arme daran, dass ihr immer eine Gemeinschaft braucht: Menschen, mit denen ihr euer Leben teilt. Ihr braucht eurer Nächsten und sie brauchen euch. Und heute entscheidet ihr bewusst, Teil dieser Gemein­schaft, dieser Kirchengemeinde zu sein. Und der Längsbalken verweist euch an eure Verbindung nach oben, zu Gott. Wenn ihr euch in die Beziehung zu Gott und in die Beziehung zu anderen Menschen stellt, dann wird euch das Leben gelingen.

Und wenn doch etwas scheitert, dann denkt an den Sämann aus dem Gleichnis: Gott sät seinen Samen aus und ¾ davon geht ein. Macht nichts, der Rest reicht. Wenn das selbst bei Gott reicht, dann reicht das bei euch allemal. Wenn ihr also mal Schwierigkeiten habt, von A nach B zu kommen, wenn ihr euren Standpunkt verloren habt oder kein Ziel mehr vor Augen, dann denkt an den Psalm, den wir vorhin gesprochen haben:

„Zeige uns den Weg, den wir gehen sollen;

Lass uns erkennen, was gut ist für uns und für andere,

damit wir alle uns am Leben freuen können.“

 

Amen.