Osterevangelium: Markus 16, 1–8
Und als der Sabbat vergangen war, kauften Maria Magdalena und Maria, die Mutter des Jakobus, und Salome wohlriechende Öle, um hinzugehen und ihn zu salben. 2 Und sie kamen zum Grab am ersten Tag der Woche, sehr früh, als die Sonne aufging. 3 Und sie sprachen untereinander: Wer wälzt uns den Stein von des Grabes Tür? 4 Und sie sahen hin und wurden gewahr, dass der Stein weggewälzt war; denn er war sehr groß. 5 Und sie gingen hinein in das Grab und sahen einen Jüngling zur rechten Hand sitzen, der hatte ein langes weißes Gewand an, und sie entsetzten sich. 6 Er aber sprach zu ihnen: Entsetzt euch nicht! Ihr sucht Jesus von Nazareth, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden, er ist nicht hier. Siehe da die Stätte, wo sie ihn hinlegten. 7 Geht aber hin und sagt seinen Jüngern und Petrus, dass er vor euch hingeht nach Galiläa; da werdet ihr ihn sehen, wie er euch gesagt hat. 8 Und sie gingen hinaus und flohen von dem Grab; denn Zittern und Entsetzen hatte sie ergriffen. Und sie sagten niemand etwas; denn sie fürchteten sich.
Predigt
Gnade sei mit euch und Friede von dem,
der da ist und der da war und der da kommt!
Zu Ostern gehört traditionell das Osterlachen. Erst dann ist wirklich Ostern, sind Tod und Teufel, Angst und Leid wirklich besiegt, wenn wir einmal richtig lachen. Einen passenden Osterwitz zum Brüllen habe ich nicht gefunden, aber diese Geschichte:
Es waren einmal zwei Freunde, Otto und Max. Die trafen sich regelmäßig, um sich über ihre Geschäfte auszutauschen. Eines Tages behielt Otto während ihres ganzen Gesprächs seine Hand in der Tasche. Max fragte: „Otto, was hast du da in deiner Jackentasche?“
„Nichts“, sagte Otto, aber Max ließ nicht locker: „Komm, sag schon, was hast du in der Tasche?“
„Na gut“, sagte Otto, „einen Stein.“
„Was? Einen Stein?“ – „Ja, Max, einfach nur ein Stein.“
„Aber was willst du denn mit einem Stein?“ Max konnte es nicht fassen.
„Nichts Bestimmtes“, sagte Otto. „Ich hab den Stein vorhin beim Steinmetz gesehen. Da dachte ich: So ein schöner Stein, schön glatt. Und da hab ich ihn gekauft.“
„Wie? Du hast für den Stein auch noch Geld ausgegeben? Wie viel?“
„Ach, nicht viel. Ich hab dem Steinmetz 5 Euro gegeben.“
„5 Euro? Für einen Stein?“
„Ja, er hat mir einfach gefallen. Weil er so schön glatt ist.“
Zu Hause war Max aufgewühlt: Das kann doch nicht sein … Wenn sein bester Freund Otto, der ein hervorragender Geschäftsmann ist, 5 Euro für einen Stein ausgibt, dann muss doch irgendwas dran sein an diesem Stein. Irgendwas muss daran besonders sein. Vielleicht ist er wahnsinnig wertvoll – und Otto hat ihn für schlappe 5 Euro gekauft? Dieser Halunke.
Der Stein lässt Max keine Ruhe. Tag und Nacht denkt er daran. Bei ihrem nächsten Treffen fragt er Otto beiläufig: „Sag mal, erinnerst du dich noch an den Stein, den du letztes Mal dabeihattest?“
„Ach ja, der Stein. Warum fragst du?“
„Naja, ich würde dir diesen Stein gerne abkaufen.“
„Abkaufen? Warum um alles in der Welt brauchst du diesen Stein?“
„Och, man weiß ja nie“, sagt Max, „immerhin ist er schön glatt … Ich würde dir auch 10 Euro dafür geben!“
„10 Euro? Für einen ganz normalen Stein?“ – „Ja.“
So wechselt der Stein den Besitzer.
Auf dem Nachhauseweg kommt Otto ins Nachdenken: Wenn mir mein Freund Max, der ein sehr guter Geschäftsmann ist, 10 Euro für diesen Stein gibt – dann muss da irgendwas dran sein an diesem Stein. Abgesehen davon, dass er schön glatt ist. Bestimmt hat er mich irgendwie hereingelegt.
Bei nächsten Treffen kauft sich Otto den Stein wieder zurück – nach langem Diskutieren und Feilschen für 20 Euro.
Das geht einige Wochen lang so. Bei jedem Treffen wechselt der Stein den Besitzer – und jedes Mal wird er ein bisschen wertvoller. Bis eines Tages Max den Stein kaufen will und Otto verlegen sagt: „Du, Max, ich hab den Stein nicht mehr.“
„Wie das denn? Hast du ihn etwa verloren?“
„Nein, ich hab ihn an einen Händler verkauft.“
„Bist du wahnsinnig?“
„Es hat sich einfach so ergeben, Max. Tut mir leid.“
„Aber Otto, du kannst doch nicht einfach so unseren Stein verkaufen!“
„Wieso nicht? Es war doch einfach nur ein ganz normaler Stein!“ „Naja, aber dieser Stein hat uns wochenlang ernährt!“
Ein wertvoller, bedeutungsvoller Stein, ein Stein, der einen „ernährt“ und verbindet … Ich denke, solche Steine kennen wir: Steine, die uns an etwas Schönes oder Lustiges erinnern, die für uns eine besondere Bedeutung bekommen haben, wie in der Geschichte von Otto und Max.
Doch es gibt auch andere Steine, die wir mit uns herumtragen, Steine im übertragenen Sinn:
Sorgensteine, die uns belasten. Sorgen vor der nächsten Klausur oder Prüfung, Angst davor, dass eine Krankheit wiederkommt oder sich ausbreitet, Sorgen um eine Freundin, die Kinder oder die Eltern …
Auch Stolpersteine kennen wir. Die Stolpersteine, die hier im Grindelviertel verlegt wurden, um an die ehemaligen jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger zu erinnern. Messingplatten, die in den Gehweg eingelassen sind.
Und neben diesen kollektiven, gemeinschaftlichen Stolpersteinen, die uns als Gesellschaft stolpern lassen und aufrütteln sollen, wenn wir wieder Rassismus und Ausgrenzung begegnen, kennen viele von uns auch ihre eigenen, persönlichen Stolpersteine, die sie aus der Bahn werfen können. Für die Einen einschneidende Ereignisse, die ihrem Leben eine völlig andere Richtung gegeben haben. Für Andere vielleicht so etwas wie Fallen, in die sie immer wieder tappen. Verhaltensmuster , die sie immer wieder stolpern oder fallen lassen.
Zu den vielen Lasten, die wir mit uns herumschleppen, sagte einmal eine alte Hausärztin zu mir: Wir tragen einen ganzen Rucksack voller Steine auf dem Rücken. Und im Laufe des Lebens geht es darum, diese Steine nach und nach auszupacken und abzulegen.
Die Ostergeschichte erzählt davon, wie plötzlich auf ein Mal ein riesiger Stein weg ist! Wie er von uns genommen wird, ganz ohne unser eigenes Zutun. Ein Stein, der individuelle und gemeinschaftliche, ja sogar kosmische Bedeutung hat. Am Ostermorgen werden wir vom Stein des ewigen Todes befreit. Vom Stein, der für die Macht des Todes über das Leben steht – im persönlichen wie im gesellschaftlichen wie im religiösen Sinn.
Das Grab in der Felshöhle, in das Jesus nach seinem Tod gelegt wurde, war mit einem großen Stein verschlossen. Als Maria Magdalena, Maria und Salome hingehen, um Jesu Leichnam einzubalsamieren, finden sie die Grabhöhle offen – der große Stein ist zur Seite gewälzt.
Eine kleine Bewegung des Steins – und es eröffnet sich ihnen ein völlig neuer Blick: In der Höhle sitzt ein Engel im langen weißen Gewand und sagt: „Entsetzt euch nicht! Fürchtet euch nicht! Ihr sucht Jesus, den Gekreuzigten, aber er ist nicht hier. Er ist auferstanden.“ (Mk 16, 6+7)
Manchmal liegt eine andere Perspektive nur einen Steinwurf entfernt. Wenn eine große Sorge von uns genommen oder ein schweres Problem gelöst wird, wir ein gutes Ergebnis oder eine schöne Nachricht bekommen, dann sehen wir das Leben mitunter in einem ganz anderen, hellen Licht. Wir sehen und fühlen und können glauben, dass es mit uns und unserer Welt nicht nur bergab geht, dass Angst, Streit und Zerstörung nicht alles sind. Im Kleinen wie im Großen. Dass der Tod nicht das letzte Wort über uns hat.
Am Ostermorgen ist der Stein vor der Grabhöhle beiseite gerollt, und das gibt den Blick frei. Für die Frauen damals den Blick auf einen Engel, der ihnen sagt: „Jesus ist nicht hier.“ Sie sollen nicht länger im dunklen Grab verharren, sondern sich umdrehen, ins Freie laufen, den Auferstandenen suchen! Sie sollen die Perspektive, die Richtung ihrer Gedanken und Taten ändern. Aber da, so heißt es im Markus-Evangelium, „flohen sie vom Grab; denn Zittern und Entsetzen hatte sie ergriffen.“ (Mk 18, 8)
Wenn die Steine des Lebens ins Rollen kommen, wenn wir unsere Blicke auf uns selbst und unsere Zeit ändern, ist das nicht immer einfach. Es kann einen auch ängstigen: Lieber an den gewohnten Bildern festhalten! Denn was hält uns, was bindet uns und welche unbekannten Möglichkeiten und Freiheiten tun sich auf, wenn wir bestimmte Ängste und Muster loslassen?
Auf Pilgerreisen machen wir am ersten oder zweiten Tag oft diese Übung: Such dir heute früh einen Stein für das, was du auf diesem Pilgerweg gerne loslassen möchtest! Und wenn du soweit bist, wenn du ihn lange genug mit dir herumgetragen hast, dann leg ihn ab. Manche finden schnell einen passenden Stein, andere suchen lange. Manche tragen Kieselsteine, andere massive Brocken. Manche schleudern ihren Stein mit Kraft von sich, andere legen ihn behutsam an einem besonderen Ort ab. – Eine Einübung darin, Steine aus dem Lebensrucksack herauszunehmen, anzusehen und wegzulegen. Neue Perspektiven einzunehmen.
Den großen, den Todesstein wälzt Gott mit seinen Engeln am Ostermorgen selbst zur Seite. Dass wir den ewigen Tod, das Nichts, das Vergessen nicht mehr zu fürchten brauchen.
Jesus ist auferstanden, als Erster der Toten. Das ist der Beginn von Gottes neuer Schöpfung, dem neuen Anfang, den Gott mit uns setzt und in den er uns Ostern mit hineinziehen möchte. Nicht die Steine haben das letzte Wort, nicht die Gräber, sondern Gott macht den Weg frei: Dass sich das Licht Bahn bricht und bis in die letzten Winkel unserer Sorgenkammern dringt. Dass der Morgen aufzieht und das Leben neu beginnt.
Christus ist auferstanden, Halleluja!